Vom Dazwischen – Erzählungen/Kurzprosa

Victoria Hohmann Erzählungen / Kurzprosa (Edition v)

Info

Letzte Runde, ich habe sie gewonnen, die Casting-Show Mensch. Ich, Frau Sonntag, Herr, wenn du willst, Herrin, Sonntagskind, haben sie gesagt, bald von jeher, wenn ich die Karte zeigte, zeige, die Karten, in Gold, Platin, Plutonium. Jetzt: mein Abbild vor dem Louvre, vor Westminster Abbey, vor dem Brandenburger Tor. Profilbild im Central Park, auf der Chinesischen Mauer, in der Ferrari World Abu Dhabi, Baby.

(aus: Selfiestickerei, in: Vom Dazwischen)

 

KLAPPENTEXT:

Eine junge Frau in der Fremde, ein Maler in der Schaffenskrise, ein Mädchen, das sich zu seiner Homosexualität bekennt, ein Hasskommentare Schreiber, eine Frau im Griff einer Angsterkrankung, eine andere im Griff ihres Smartphones, ein frustrierter Familienvater, ein angetrunkener Existenzialist, sogar eine Unbekannte in einer Wand.

Getragen von einer assoziativen, bildreichen Sprache, entfaltet sich in zwölf Geschichten ein Mikrokosmos von Schicksalen mit oftmals unverhofften Wendungen. (Schwarzwäldersahnetote, Hater II, Die Straße, Der Punkt, Fado (eine vollmundige Trunkenheit), Frau mit Hund (sucht), Seerosen, Titanweiß, Selfiestickerei, Balanceakte, #Hinüber, Die Frau in der Wand).

LESEPROBEN als PDF: Leseproben_Vom Dazwischen

 

WEITERE TEXTAUSZÜGE:

Bannerträger, Rufe, Applaus. Die Frau unserer Geschichte dreht den Ton ab. In vollkommener Stille ziehen Menschen über den Bildschirm. Aufmarsch, im Eck des Hotelzimmers. Die Stummgeschalteten ängstigen mit Ausbruch, Einbruch in die Privatsphäre. Die verlangen eine Welt ohne. Homos, fuck off. Als wären Menschen Schablonengeschöpfe. Die Zukunft droht mit Eingleisigkeit. Ihre Mutter, die Geschichte, hängt schlaff im Ohrensessel und macht einen auf grauer Star. Das glaubt einem doch niemand, wenn man das erzählt. Das kann doch nicht die Geschichte sein, diese Geschichte, unsere Geschichte – die Frau schüttelt den Kopf.

(aus: Schwarzwäldersahnetote, in: Vom Dazwischen)

 

Die Frauenquote. Nur der Tropfen. Auf dem heißen Stein: alles angebrannt. Das Raclette kannst du vergessen. Die Koalition im Speckmantel, die Klimabouletten, die Demokratiespieße, das Einheitsgemüse, die soziale Gerechtigkeit in Aspik.

(aus: Hater II, in: Vom Dazwischen)

 

Doch, ach: Das Wecken schlief zwischen meinen Zähnen ein. Schönheitsschlaf nicht gerade. Schnarchen. Im Schatten des Kiefers. Mümmelte es, lümmelte herum. Die Beißerchen, ein Bäuerchen. Ach, och. Es half nichts. Von nichts kommt nichts. Nichts kam um die Ecke, in Gang oder gar auf die Flur. Nichts als ein Pferd. Es stand dort. Ein Königreich. Das Wecken hatte. Das Pferd. Aufgeweckt. Oder? Gab es einen kausalen Zusammenhang? Gab es kausalen Zusammenhang? Eine Lawine, auf diesem Hang, alles, was ich sah.

(aus: Fado (eine vollmundige Trunkenheit), in: Vom Dazwischen)

 

Europas Grenzen sind für den Observierer klar auf die Landkarte gedruckt. Weiß, nein, rot, nein, schwarz, nein, metallisch – ragen sie von der Online-Map in den Himmel; hier, direkt auf meinem Bildschirm.

Klar, kann man da mit dem Flugzeug, könnte, hupf.

Aber, das Kerosin. Aber, die Angst.

Sicher, die, diese Letztere, baut die höchsten Mauern – Bauernweisheit. Aber – man muss ja nicht alles. Überwinden, sich, ach. Man darf ja wohl ach einfach mal. Sein. Wie man ist. Bleiben. Der Hindernislauf der Welt kostet ohnehin genug. Kraft sowieso. Aber wir wollen hier ja nicht – Zeigefinger weg, ab in die Manteltasche.

(aus: Balanceakte, in: Vom Dazwischen)

 

Auf, auf, Samstagsvergnügen. Zum Pub. Inn. Einkehren. Das beschwingt den Gang. Beseelt die Beine, könnte man sagen, in den Röhrenjeans, die Füße. Er war immer schon ein Turnschuhtyp, nach Feierabend. Waschbetonplatten, Buntkies. Rechts und links Zaunspaliere der Schrebergartenkolonie. Parzellen wie Schildkrötenpanzer – denkt er unwillkürlich. Galapagos – denkt er auch – eingekesselt von kürzlich hochgezogenen Reihenhäusern. “Sonnenwinkel e.V.” steht auf dem Metallschild einer Laubenrückwand. Darunter ein Aushang: “ACHTUNG: Momentan erhöhter Rattenbefall”.

(aus: Der Punkt, in: Vom Dazwischen)

 

Rezensionen

  • Hohmanns Stil ist einzigartig, der Leser wird direkt von den Worten festgehalten, eingesogen, nicht mehr gehen gelassen. Und das ist auch gut so, denn wer diesen Erzählband nicht liest, verpasst etwas.

  • In Ihrem zweiten Band mit zwölf Texten wagt sich die Autorin noch weiter vor, z. B. in der Erzählung »Hater II« (...) Victoria Hohmann gewährt manchen Protagonisten eine gewisse ironische Selbständigkeit. So tritt der Mann höchstpersönlich auf und wendet sich an uns Leser, indem er an den Bühnenrand tritt (also gewissermaßen aus der Erzählung »Hater II« in die Erzählung »Hater II«.) (...) Victoria Hohmann experimentiert mit Sprache, Aufbau und Leser-Erwartungen. Das tut vor allem den Erzählungen gut. Und den Leserinnen und Lesern, wenn sie der Autorin folgen wollen.

  • Mancher Text war so poetisch, aktuell und gleichzeitig interpretationsoffen, dass ich seinen Einsatz im Deutschunterricht als sehr gewinnbringend empfinden würde – man kann sich mit den Texten also wirklich ausgiebig beschäftigen und hervorragend mit anderen über sie philosophieren, diskutieren und reden, aber sie funktionieren auch, wenn man einfach nur abtauchen und genießen möchte.

  • Hohmanns eigenwilliger Stil und die aktuellen Thematiken der Geschichten, von Internet-Mobbing bis Angstzuständen, ergeben eine tolle Mischung für all jene, die offen für Neues sind. Mich jedenfalls hat die Kreativität der Autorin beeindruckt und mich würde nicht wundern, wenn man in Zukunft noch viel von ihr hören würde.

  • Dieses Buch hallt nach! Und ich kann es wahrlich nur empfehlen! Nach Hohmanns Debüt „Von Verwandlungen“ ist dies ein würdiger Nachfolger! Literarisch ist Victoria Hohmann den ganz Großen jedenfalls dicht auf den Fersen!