Christus
(Ein Interview)

Franziska zu Reventlow

Die Amerikaner sind bekanntlich sehr neugierig. Seit Jahren schreibe ich für ein Kunstblatt jenseits des Ozeans Ausstellungsberichte, Kunstbriefe und alles, was sonst dazu gehört, die wissensdurstige Seele des »gebildeten Laien«, der sich für Kunst interessiert, einmal im Monat zu sättigen. Jetzt ist das nicht mehr sensationell genug. Man will mehr – anderes. Die Redaktion verlangte zuerst »Intimes aus dem Leben der großen Künstler« – modern Intimes natürlich – und neuerdings soll ich auch noch interessante Details aus dem Leben der Modelle und ihrem Verhältnis zur Künstlerwelt bringen. Mir ist alles recht. Ich bin ein zufriedener Mensch und möchte auch andere zufriedenstellen. Nach längerem Bemühen ist es mir geglückt, das Notizbuch eines »vielversprechenden Genies« in die Hände zu bekommen.

Die darin verzeichnete Modelliste sollte mir als Richtschnur meiner demnächstigen Recherchen dienen. Aber nun die richtige Auswahl zu treffen:

  1. Walburga Stümpfl, als Giftmischerin beliebt, sehr grün im Ton.
  2. Crescenz – Nachname fehlt im Notizbuch – stilvoller Rokokoakt.
  3. Anna Huber, sehnsüchtiges Profil, sehr geeignet zum Stilisieren.
  4. Adalbert Apfelkammer, Athlet und Ringkämpfer, kolossaler Bizeps, unglaubliche Deltamuskeln.
  5. Marie Mayr, famose Zierleiste für die »Jugend«.
  6. Clemens Brückner, hinterlistiger Priester etc.

Du lieber Gott, die Auswahl ist einfach überwältigend reich, da kann’s nicht fehlen.

Tagelang stieg ich treppauf, treppab. Modelle interviewen ist keine Kleinigkeit, sie sind nie zu Hause. Ich begab mich also auf den Rat eines erfahrenen Freundes zu einer Vormittagsstunde an die Stufen der Akademie. Aber ich hatte wieder Pech. Die Stunde war entschieden unglücklich gewählt. Es war nur ein schwerhöriger alter Mann da und einige zerlumpte Italienerweiber. Den letzteren schien es sehr am Herzen zu liegen, von mir interviewt zu werden, aber da sich meine Kenntnisse der italienischen Sprache auf: »Si Signora« und »Non capisco« beschränken, konnten wir zu keinem befriedigenden Resultat gelangen.

Schon wollte ich verzagt und um eine Illusion ärmer dem Tempel der Kunst den Rücken wenden, als ich auf einen großen, hageren Mann aufmerksam wurde, der in einen flatternden Havelock eingehüllt mit majestätischem Schritt die Treppe herauf kam.

Ich hielt ihn erst für einen Königlichen Professor, so gebieterisch war sein Auftreten, so lang und wallend sein Haupthaar. Als er sich aber schließlich neben den Italienerinnen auf die Balustrade niederließ, fasste ich Mut.

»Sie stehen Modell?«

»Jawohl, jewiss, ich bin der Christus – braucht der Herr –«

»Wie heißen Sie?«

»Friedrich Wilhelm Köppke – wenn der Herr mit Kostüm wünscht« – Er machte mich auf eine große Pappschachtel aufmerksam, die er unter dem Arm trug – »brauner Mantel, dunkelrotes Unterkleid« –

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Ein Journalist führt für eine amerikanische Kunstzeitung in der München Art-Szene um 1900 ein Interview mit einem Christus-Modell, um intime Details aus dem Künstler*innenmilieu aufzutun. Das gestaltet sich nicht einfach, den Christus heißt bürgerlich Friedrich Wilhelm Köppke und stammt aus Berlin.
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Franziska zu Reventlow

geboren am 18.05.1871 in Husum, gestorben am 26.07.1918 in Locarno. Fanny Liane Wilhelmine Sophie Adrienne Auguste Comtesse zu Reventlow – so ihr ganzer Name – ist ein lebhaftes und eigensinniges Mädchen. Die Erziehung zur „höheren Tochter“ verweigert sie, lässt ihr Temperament auch im „Freiadligen Magdalenenstift“ zu Altenburg nicht brechen. 1889 zieht die Landratsfamilie nach Lübeck, wo Franziska gemeinsam mit ihrem Bruder den Literaturzirkel „Ibsenclub“ besucht, der für damalige Verhältnisse subversive Literatur wie Ibsen, Turgenjew, Dostojewskij, Tolstoi und Zola diskutiert. Um dem Elternhaus zu entkommen, absolviert sie 1892 das Lehrerinnenexamen in Lübeck und geht nach Hamburg. Dort Verlobung mit dem Gerichtsassessor Walter Lübke, der ihren Wunsch, Malerin zu werden unterstützt und ihr ein Kunststudium in München finanziert. 1894 heiratet sie Lübke, verschweigt ihm jedoch Schwangerschaft und Fehlgeburt. Es folgen Depressionen, 1896 die Scheidung, darauf ein Zusammenbruch und längerer Krankenhausaufenthalt. Franziska lebt in München Schwabing als ein Fixstern der Bohème. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit Übersetzungen für den Albert Langen Verlag, Herausgeber des Simplicissimus, als Glasmalerin, Model, bessere Prostituierte und betreibt eine Weile ein Milchgeschäft. Ihre Lebensverhältnisse sind durchweg prekär, Geldnot und Pfändungen Alltag. Franziska pflegt unterdessen in Schwabing Kontakt mit zahlreichen Künstler*innen aller Sparten, darunter Rainer Maria Rilke, Stefan George, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin und hat dazu zahlreiche Liebesbeziehungen u.a. mit dem Schriftsteller Karl Wolfskehl und dem Philosoph Ludwig Klages, der die Vormundschaft ihres 1897 geborenen Sohns Rolf übernimmt. Von 1903 – 1906 lebt Franziska mit dem Maler Bohdan von Suchocki und dem Schriftsteller Franz Hessel zusammen. In dieser Zeit kommt es zu einer tödlichen Frühgeburt von Zwillingsmädchen. Franziska versucht weiterhin den Durchbruch als Malerin, was ihr nie gelingt. Dafür ist sie einigermaßen erfolgreich mit Romanen, Erzählungen, Novellen, die bei Albert Langen erscheinen sowie mit Satire u.a. für den Simplicissimus. 1910 zieht sie nach Ascona an den Lago Maggiore. Ihre prekäre finanzielle Situation bleibt derweil bestehen. Dem Ersten Weltkrieg, Patriotismus und Kriegsbegeisterung steht Franziska so kritisch gegenüber, dass sie ihren 1916 eingezogenen Sohn im gleichen Jahr zur Desertion bewegt. 1918 stirbt sie an den Folgen eines Fahrradunfalls.

Werke u.a.: Das gräfliche Milchgeschäft (Novelle, 1897), Das Männerphantom der Frau (Essay, 1898), Viragines oder Hetären? (Essay, 1899), Ellen Olestjerne (Roman, 1903), Von Paul zu Pedro (Amouresken, 1912), Herrn Dames Aufzeichnungen (Roman, 1913), Der Geldkomplex (Roman, 1916), Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel und andere Novellen (1916).

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