Wie kamst Du zum Schreiben bzw. wie kam das Schreiben zu Dir?
Vor dem Schreiben kommt ja das Erzählen bzw. die Phantasie, und die war wohl immer ein Teil von mir. Allerdings wird das dann durch das Aufschreiben doch zu etwas anderem, denn Schreiben als Produzieren misst sich ja auch immer am Ergebnis, zum Beispiel an der Anzahl der Seiten. Da hatte ich sehr früh den Ehrgeiz, viel zu schreiben, schon als Kind.
Was war Deine erste Veröffentlichung?
Abgesehen von Schülerzeitschriften und dergleichen war meine erste Veröffentlichung die Erzählung „Der Freund. Eine Beherbergung“, erschienen 2003 in den „Konzepten“. Also ein relativ spätes Debut mit vierunddreißig.
Aus welchem Zeitraum stammen die Erzählungen in „Die milchfarbene Haut der Türen“?
Der Zeitraum umfasst 2003 bis 2018, also eine relativ breite Spanne. Die älteren Erzählungen wurden aber alle nochmal überarbeitet.
Gibt es Themen, die Dich stetig begleiten oder wandelt sich das über die Jahre?
Ich glaube, diese Themen gibt es. Ich kann sie aber selbst nicht benennen, sondern andere lesen sie aus meinen Geschichten heraus. Natürlich spielen Architektur und Räume eine wichtige Rolle, aber im Grunde geht es mir um das Einfangen subtiler Atmosphären und Anmutungen – Dinge, die so fein sind, dass sie sich der Sprache fast entziehen.
Hast Du den Eindruck, dass Dein Architekturstudium Einfluss auf Deine Art zu Schreiben genommen hat?
Dieser Einfluss wird immer wieder vermutet, aber es ist nicht so, dass ich Geschichten konstruiere. Ich schreibe sehr intuitiv und weiß in der Regel weder, wie eine Geschichte endet noch lege ich Figuren am Reißbrett fest. So habe ich aber auch Häuser entworfen, und ich denke, die Methode ist sogar weitverbreitet, obwohl die Architekten darin geschult werden, ihre Intuition als das Ergebnis rationalen Kalküls zu verkaufen. Macht ja schon Palladio: Im Grunde will er Säulen bauen, aber er argumentiert mit Baugrund, Belüftung und Hygiene. Er hat immer gute Gründe für seine Säulen, und sie sind ja auch wunderschön.
Dein Debütroman „Notschek“ erschien 2011 im Wiener Verlag Luftschacht. Was hat sich dadurch für Dich verändert?
Natürlich war dieses erste richtige Buch eine wichtige Bestätigung, tatsächlich Autor zu sein. Bevor man ein Buch hat, bleibt man immer jemand, der das nur behauptet – ein gelegentlich quälender Zustand, denn im Grunde weiß man ja, dass das, was man geschrieben hat, ganz gut ist, kann es aber nicht beweisen.
Kurzprosa oder Roman? Hast Du da eine Vorliebe als Schreibender? Als Lesender?
Die Kurzprosa ist eine sehr verführerische Form, weil man da schnell zu Ergebnissen kommt und Misslingen kein großes Risiko darstellt. Andererseits will kein Komponist immer nur Kammermusik schreiben – im Grunde schielt man, glaube ich, immer nach dem großen Roman. Außer, man ist Lyriker.
Tag- oder Nachtschreiber?
Früher habe ich immer sehr viel nachts geschrieben, heute praktisch kaum noch. Es ist ein bisschen eine Illusion, dass man nachts einen besseren oder tieferen Zugang zur Sprache hat. Allerdings habe ich vor kurzem mit dem Nachtschreiben wieder angefangen, mit grüner Tinte auf Papier, ein sprachphilosophischer Traktat mit dem Arbeitstitel „Der Hufschlag der Worte.“
Vorbilder?
Die ganz großen Götter nenne ich lieber nicht, denn der Vergleich wäre vermessen … Sehr gefallen hat mir immer Wolfgang Hildesheimer („Tynset“, „Paradies der falschen Vögel“), der heute fast schon vergessene Kurt Kusenberg („Der blaue Traum“) oder Exoten wie Joris-Karl Huysmans („Gegen den Strich“); aus neuerer Zeit natürlich W. G. Sebald („Austerlitz“, „Die Ausgewanderten“). Ein Geheimtipp ist Emil Tode („Im Grenzland“), hinter dem sich der Este Tõnu Õnnepalu verbirgt. Mit Walter Benjamin („Kindheit um 1900“) oder gar Rilke („Malte Laurids Brigge“) fangen dann allerdings schon die Götter an.
Dein Anliegen beim Schreiben?
Das Anliegen ist etwas paradox: Das zur Sprache bringen, was nicht gesagt oder geschrieben werden kann. Meiner Theorie nach hat die Literatur wie ein Eisberg bislang nur etwa zehn Prozent dessen beschrieben, was wir tatsächlich erleben.
Was ich meinen Leser*innen schon immer sagen wollte:
Literatur ist weder etwas, was sich auf Autoren beschränkt noch auf das Lesen. Geschichten passieren uns allen täglich. Mein bester Freund hat neulich im Garten gesagt, ich erzähle immer so plastisch von fremden Menschen. Das war auch ein Talent meiner Mutter, obwohl sie Bildende Künstlerin war. Aber was ist dieses Erzählen eigentlich? Es ist dann gut, wenn es das Wesentliche einfängt – und dabei vielleicht nicht ganz bei der Wahrheit bleibt. Das habe ich schon als Kind empfunden, dieses Recht auf konsequente Übertreibung und Ausschmückung, das immer auch mit sehr viel Lust verbunden ist. Gut ist, wenn man dann Zuhörer hat. Leser sind idealerweise solche Zuhörer.