X – Klimatexte. Eine Entstehungsgeschichte.

Eine Anthologie auszuschreiben, ist für mich als Verlegerin eine spannende Sache. Die Texte überraschen immer und es ist nicht absehbar, was für ein Buch entsteht. X – Klimatexte ist die dritte Anthologie des Verlags. Die Ausschreibung verlangte keine spezielle Textgattung, alle Genres waren willkommen. Der Plan war, ein Buch zusammenzustellen, das auf seine Weise Seismograph unserer Zeit zum Thema Klimakrise ist. Ich hatte keine Ahnung, ob mich ein Haufen Dystopien erreichen würden, Endzeitlyrik, Pamphlete oder v.a. Essays zu unterschiedlichen Umweltbelangen.

Fast 70 Einsendungen Prosa und Lyrik habe ich dann bekommen. Alles war dabei. Eine bunte Mischung, genau wie ich es erhofft hatte. Jetzt galt es, einen roten Faden zu finden, die Vielfalt der Textarten und Stimmen abzubilden, gleichzeitig Texte herauszusuchen, die ineinandergreifen, auch Kontraste bilden, sich insgesamt gut zu einer Komposition zusammenfügen. Wichtig war mir bei der Auswahl ein möglichst weites Spektrum von Textformen und Themen. Da der Autor Klaus Esterluß, der auch für den WWF Deutschland schreibt, das Vorwort der Anthologie verfasst hat, stand für mich außerdem fest, dass besonders Artenschutz und Biodiversität als Themen nicht fehlen durften.

Interessanterweise war dann Veganismus einer der Themenschwerpunkte der Texteinreichungen – und es ging immer irgendwie um Wasser. Dieses Kreisen ums Wasser, unserer basalen Lebensvoraussetzung, das Meer, das uns geboren hat, wurde dann wie selbstverständlich eines der (blauen) kompositorisch verknüpfenden Bänder. Und der Veganismus bekam auf ganz unkonventionelle Art seinen Platz, genau wie Artenschutz und Biodervisität. Was noch auffiel war, dass die meisten Texte sich nicht auf ein Thema beschränkten, sondern eine Vielzahl von Problematiken in den Blick nahmen. Das zeigte mir zum einen, wie versiert wir – oder die meisten – doch in Sachen Klimakrise sind und wirklich nur noch bedingt auf die Notlage und auf Auswege aufmerksam gemacht muss, sondern es vielmehr der täglichen Motivation bedarf, der wachsenden Hoffnung gemeinsam etwas erreichen zu können und nicht ohnmächtig zu sein.

Die Themenflut in den Texten und auch das Wissen um Lösungen war wirklich enorm, und die Form der Liste wiederholte sich vielfach. (Eine besonders zeitgemäße Textform? Ähnlich eines Scrollen durch die tägliche Nachrichtenmasse?) Der Listencharakter vieler Texte passte für mich jedenfalls wiederum gut zum Thema Artensterben bzw. zum Thema Biodiversität, die wiederum Diversität an sich als zentral relevanten Faktor verdeutlicht. Und dann durfte auch die Liebe nicht fehlen, für den Fluss des Lebens, ohne die ja sowieso nichts funktioniert.

Bei der Arbeit an der Anthologie ist mir mehr denn je bewusst geworden, dass der Klimawandel nicht zu stoppen ist ohne einen gesellschaftlichen Klimawandel. Kreativität ist gefragt, nicht Autorität, alle sind gefragt, nicht Einzelne, Vielfalt ist der Weg, nicht Monoculture. Außerdem überkam mich stärker denn je das Gefühl, mich mitten in einer großartig revolutionären Zeit zu befinden. Der Zusammenbruch alter Strukturen, Narrative, Denkmuster ringsum. So viele Möglichkeiten der Neugestaltung durch diese uns durch uns selbst aufgezwungene Menschheitskrise. Schrecklich und schön zugleich.

Dieser Eindruck führte letztlich dazu, auch das ursprüngliche Buchcover nochmals zu überdenken. Die düstere oder spannungsgeladene Science-Fiction war es irgendwie nicht mehr. Zum Glück lebe ich mit einem wunderbaren Gestalter zusammen, der im Handumdrehen neue Layouts erfinden kann. Und so entstand das aktuelle Cover: Die Klimastreifen sind vertikal gedreht, erinnern so auch an ein Meer mit Sonnenuntergang/Sonnenaufgang. Sie liegen verborgen hinter einem weißen Blatt Papier, einer weißen Fläche, die x-förmig aufgeschnitten ist, ein wenig wie ein Brief, und den Anschein erweckt, sie ließe sich auseinanderklappen, auseinanderfalten. Etwas noch Verborgenes kann sichtbar werden. Vielleicht ein Meer und ein Horizont, vielleicht mehr, jedenfalls ein Aufbruch (im wahrsten Sinne). Das Lesen des Buches ist dafür wichtig – kommuniziert da Cover zudem. Da ist es aber auch etwas, das es für jede*n in sich selbst zu finden gilt, sagt es, das der Fantasie jedes*jeder Einzelne*n überlassen bleibt. Die Vorstellungskraft, Ideen bewegen die Welt. Das Cover sagt: Manchmal ist es notwendig, völlig neue Perspektiven einzunehmen, zu schaffen. Das Cover ist ergo auch eine Einladung. Genau wie die Textsammlung. Neue Horizonte sind immer in Aussicht, auch in Reichweite. Es liegt an uns. Alles. Wie immer.

Jetzt habe ich hoffentlich schon jede Menge Neugier bei euch geweckt. Ganz bald gibt es tollen Lesestoff zu entdecken.

Erscheinungstermin ist das Frühjahr 2023 – Vorbestellungen sind in Kürze möglich.

Vooorfreude!

stay tuned

xxx VHV