Der literarische Chat – ein KI-Experiment

Inwiefern KI basierte Suchen für das Auffinden von Literatur und Buchempfehlungen im Netz verwendet werden können, ist ein großes Thema. Wir entwickeln dazu momentan Ideen. Andreas Kompagnon Jay hatte die Idee, den Chatbot Bard von Google zu Grand Mal von Daniel Breuer zu befragen. Eine Chat-Comedy.

  • Kleiner Spoiler: Nein, die Protagonist*innen treffen sich nicht in einem Nagelstudio in Santiago de Chile – ach, und (aber) wer hat nochmal gesagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Neues aus der Verlagspause

Nachdenken über das Verlegen und das Verlegen lassen in der Sommerpause – die eigentlich auch eine Verlagspause sein sollte. Aber das funktioniert irgendwie nicht, im Gegenteil. Naja, in der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft und wenn man mal stehen bleibt, um durchzuatmen und sich umzuschauen, sieht man ja meistens nicht nur die Dinge ganz anders, sondern auch ganz andere Dinge.

Seit der Ankündigung dieser Pause bzw. maßgeblich seit dem Artikel von Andreas über die Situation von Kleinverlagen, ist etwas ins Rollen gekommen. Erst einmal waren wir überrascht über die große Resonanz. Überall brodelt es. Nicht nur wir machen uns Gedanken und entwickeln neue Ideen. Sehr viele Kleinverleger*innen sind sich einig, dass der Buchmarkt für Kleinverlag nicht funktioniert und wir den Status quo verändern müssen. Kooperation ist da natürlich die Basis.

Bei uns haben sich tolle, innovative Verleger*innen gemeldet, um sich zu vernetzen, auszutauschen und miteinander neue Konzepte und Wege zu entwickeln. Als Erste die Verlegerin & Unternehmerin Sandra Thoms, die bereits seit Langem Alternativen für Kleinverlage sucht, in dem Zusammenhang beispielsweise die Verlagsbuchhandlung Shakespeares Enkel mitinitiierte und den Diskurs zur Situation von Kleinverlagen medial präsent hält und belebt. Besonders hohe Wellen schlug ihr Artikel „Verlage in der Krise: Nur jeder fünfte Verlag kann von seiner Arbeit leben“ (Juni 2023), der mich persönlich trotz eigener Erfahrungen und des Wissens um die Arbeitssituation von Kolleg:innen regelrecht schockierte. Mich außerdem in meinem Plan einer Verlagspause bestärkte. Weil so sehr wir Buchmacher:innen des Kleinverlagskosmos Literatur, Dichtung, sämtliche Genres lieben, es kann nicht weiter bei dieser Selbstausbeutung bleiben, beim Hoffen auf Förderungen und/oder einem parallelen Arbeitsleben, um die Literatur-„Liebhaberei“ überhaupt möglich zu machen. (-> An dieser Stelle: Liebe alle, wir brauchen hierfür auch Leseförderung noch und nöcher! Kinder und Jugendliche müssen wieder bewusst an Literatur in all ihrer Vielfalt herangeführt werden. Und sogenannte Erwachsene brauchen ebenfalls vielfältige Angebote (Lesungsformate, Buchaktionen, Events etc.), um in der täglichen medialen Bilderflut wieder eigene Bilder zu entwickeln.)

Das Schöne Bücher Netzwerk, gegründet von Jens Korch von der Edition Wannenbuch als Plattform für unabhängige Kleinverlage, fragte dann an, ob es den LinkedIn-Artikel von Andreas veröffentlichen dürfe. Im Netzwerk wurde der Artikel intensiv diskutiert. An dem Punkt wurde für uns so richtig spürbar, wie viele Kleinverlage leider nicht vom Büchermachen leben können, wie sehr die Buchhandelsstrukturen einschnüren, abwürgen und wie massiv die Unzufriedenheit allgemein unter Kleinverleger:innen ist. Weil so ein Teekessel pfeift ja nicht dermaßen vehement nach nur einem flammenden Artikel.

Durch dieses wunderbare Feedback sind uns erste Punkte klar geworden, die wir ändern müssen und auch ab sofort ändern können. Und je mehr wir sind, desto besser.

Was wir anders machen können?

  • Absolut zentral: Awareness für die Situation von Kleinverlagen schaffen. Über die Strukturen des Buchmarkts aufklären, von denen weder Leser:innen, noch Autor:innen, kurz: die Öffentlichkeit keine Ahnung hat.
  • Sich vernetzen. Großflächig und lokal. Ein lokales Netzwerk, das wir durch das Feedback zum Artikel kennengelernt haben, ist die Initiative Lesen Lokal ein Netzwerk von Verlagen aus Berlin und Brandenburg, das auch den jährlich auf der Buch Berlin stattfindenden Kongress Blätterkohle veranstaltet. (Herzliche Einladung für den 30.09. schon mal!)
  • Lesen fördern. Zum Beispiel durch Vorleseaktionen, Buchgeschenke und Büchertauschen – Daniela Demmer vom himmelbau Verlag entwickelt hier momentan ein tolles Konzept, um eine ganz neue Büchertradition hierzulande einzuführen. Ich möchte nicht spoilern – wer neugierig geworden ist, sollte mit ihr Kontakt aufnehmen.
  • Nachhaltig Bücher produzieren. Wie die Edition 5 Haus aus Wien, die mit ihrer Initiative Slow Book neue Wege des nachhaltigen Verlegens gehen. Sie nennen Slow Book „Die nachhaltige Bewegung im Verlagswesen“. Weniger und dafür ökologisch und klimaneutral sprich: Cradle to Cradle produzieren. (Persönlich hoffe ich ja auch auf ein alternatives Material zu Papier. Und auf digitales Publizieren.)
  • Online Sichtbarkeit herstellen. Natürlich durch die eigene Webseite, den eigenen Online-Shop und Social Media. Aber auch durch gemeinschaftliche Online- Aktionen und eine gemeinschaftliche Plattformen für ausschließlich Kleinverlage. Yourbook ist eine Initiative, um besondere Publikationen sichtbar zu machen – allerdings ist es eine Plattform auch für große und Konzernverlage und soll in erster Linie den mittelständischen Buchhandel unterstützen, nicht explizit Kleinverlage. Das Netzwerk Schöne Bücher möchte konkret Kleinverlagen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, allerdings auch um sichtbar für den Buchhandel zu werden. Aber genau das muss meiner Meinung nach aufhören: Dieses Buhlen um die Gunst des Buchhandels. WARUM? Wir Kleinverleger:innen können nicht mehr für alle verantwortlich sein und verantwortlich gemacht werden. Ob eine Buchhandlung läuft oder nicht ist schlicht nicht unsere Sache. Die Buchhandlung wird ja auch nicht für die Rentabilität eines Verlags verantwortlich gemacht. Es ist für mich als Verlegerin einfacher, meine Bücher und Autor*innen online sichtbar zu machen oder analog durch Lesungen und Events. Da kann ich selbst entscheiden und gestalten und direkt verkaufen. (Wichtige Anmerkung hier: Liebe Autor*innen, auch ihr solltet ein großes Interesse daran haben, dass Kleinverlage neue Strukturen schaffen. Weil durch die steigenden Druckkosten überall momentan die B-Autor*innen – also, die, die sich nicht so gut verkaufen – ja, es geht natürlich um Geld, nicht um Inhalte – aus dem Programm fliegen. Auch Literaturagenturen werden euch aufgrund der explodierenden Kosten zukünftig nur noch annehmen, wenn sie ein ordentlich verkaufbares Produkt aus euch machen können. D.h. der Buchmarkt diktiert radikaler denn je Mainstream. Also, liebe Autor*innen, auch ihr braucht ein neues Markt-System für Kleinverlage, um überhaupt noch eine Chance zu haben.)
  • Nächster Punkt: Analog Sichtbarkeit herstellen. Durch Bücherfeste, Lesezelte, (Vor-)Leseaktionen, (ungewöhnlich) Buchpräsentationen, Pop-up Stores, eine Idee sind auch gemeinschaftliche regionale und überregionale Verlagsbuchhandlungen, auf jeden Fall braucht es gemeinschaftliche Aktionen, Events, Plattform(en), Kommunikation & Marketing.

Noch einmal herausstellen möchte ich den Punkt, dass es für unabhängige Kleinverlage bis zu einer gewissen Größe (also für kleine unabhängige Kleinverlage) einfach keinen Sinn ergibt, mit dem Buchhandel zu planen. In teure Verlagsauslieferungen und Verlagsvertreter*innen zu investieren. Der Großbuchhandel und Verträge mit Barsortimenten sind ebenfalls ein Hohn (leider sind damit verbunden ja auch Entscheidungen wie die Teilnahme an den großen Buchmessen. Wer nicht gelistet ist, darf dort keinen Stand haben. Das macht es komplizierter). Kooperationen mit unabhängigen Buchhandlungen bringen nur etwas, wenn die Bücher dort durch Empfehlungen oder Veranstaltungen direkt beworben werden. Dann ist auch die Quasi-Provision von 35 – 40% angemessen. Ich freue mich immer, wenn unabhängige Buchhandlungen mir (meist 3 – 5) Exemplare eines Buches abnehmen. Aber davon kann ich den Verlag nicht am Laufen halten. Schon gar keine Autor*innenhonorare zahlen. Und dann soll ich als Verlag auch noch die gewissen Buchhandlungen bewerben, damit Leser*innen dort nach meinen Büchern schauen oder sie dort bestellen. Da muss ich sagen: Nö. Warum so ein extremer Aufwand – da ist der Verkauf vom Verlag direkt an Leser*innen einfacher.

Was kann ich außerdem ab sofort tun, um mehr Sichtbarkeit für meinen Kleinverlag herzustellen?

Meine Nische finden. Je kleiner und feiner, desto besser. Diejenigen gezielt ansprechen, die sich für mein Verlagsprogramm interessieren oder interessieren könnten. Durch klares Verlagsbranding, klare Kommunikation. Weil bei allen Tortendiagrammen über die Buchbranche bleibt wichtig und hoffnungsvoll: Für jeden Kleinverlag gibt es potentiell ein Stück vom Kuchen. Wir müssen uns aber bewusst sein, wo wir unser Stück finden. Das Wie ergibt sich daraus.

to be continued… 🙂

Ganz herzlichen Dank allen für euer Feedback und euren Input! Es arbeitet.

Sommerpause & Verlagspause

Der Verlag macht in diesem Jahr nicht nur Sommerpause, sondern auch eine Verlagspause. Als Verlegerin möchte und muss ich überdenken, inwiefern der Verlag zukunftsfähig ist. Gründe dafür sind sicherlich auch die Pandemie (2x beispielweise vergeblich für die LBM angemeldet – das nimmt Wind aus den Segeln) und die Care-Arbeit seit 2020 – aber viel entscheidender sind die Strukturen der Buchbranche, die Kleinverleger*innen zu Selbstausbeutung zwingen. Obwohl die Branche gerne Büchervielfalt postuliert und sich damit schmückt. Dagegen sind die um bis zu 50% gestiegenen Papier- und Druckkosten fast nebensächlich.

Kleinverlage haben es nicht leicht. Das ist allen klar, die in der Buchbranche arbeiten. Außerhalb dieser Bubble weiß das niemand. Selbst Leser*innen kennen sich meistens nicht aus mit Verlagen, sondern interessieren sich für Autor*innen und Inhalte. Warum sollte das anders sein? Kann man fragen. Und ich sage, es ist zentral, weil Bücher eben von Verlagen gemacht werden. Bei Kleidung kennen wir doch auch die Marken. Und können darum einschätzen, was wir kaufen. Und bewusst zu konsumieren ist wichtiger denn je. In allen Bereichen.

Buchhandlungen sind Verbündete der Verlage. Sollte man denken. Denken viele wahrscheinlich. Aber Buchhandlungen sind nichts anderes als Shops für Bücher und interessieren sich v.a. für ihren Umsatz (es gibt Ausnahmen, die an dieser Stelle wahrscheinlich auch lautstark protestieren). Darum nehmen sie ungern Bücher von Kleinverlagen. Weil sie diese ja aktiv verkaufen müssten, dazu vielleicht auch noch lesen & kennen. Zugegeben, die Flut von jährlich erscheinenden Büchern zu lesen ist nicht machbar. Aber ein aktives Verkaufen von Büchern kann man durchaus von Buchhändler*innen erwarten. Wozu haben sie sonst ein Geschäft für Bücher? An denen sie pro Exemplar 30 – 45% mitverdienen. Um sie ins Regal zu stellen? Aber es gibt ja auch die Option, die unverkauften Bücher nach 12 Monaten einfach ohne Begründung zurück an den Verlag zu senden. Wozu sich also überhaupt ums Verkaufen kümmern?

Das ist natürlich drastisch formuliert (und, wie gesagt, es gibt Ausnahmen, die sich mit Herzblut für Publikationen aus kleinen unabhängigen Verlagen einsetzen), aber insgesamt habe ich als Verlegerin mittlerweile verstanden, dass es im Buchhandel, wie überall, um Geld geht. Ich war da zu idealistisch. Anders sieht es bei den kleinen unabhängigen Verlagen aus. Dort geht es tatsächlich noch um Inhalte. Sonst würde man den Wahnsinn des Buchmarkts nicht auf sich nehmen. Dazu die Selbstverständlichkeit mit der die Branche Kleinverlagen die Zukunft abspricht.

Als Verlegerin fordere ich: Schluss mit Remittenden. Der Buchhandel sollte vom Verlag gekaufte Bücher nicht zurücksenden dürfen. Wie sollen – besonders Kleinverlage – denn kalkulieren, wenn sie nach einem Jahr evt. das gesamte Geld wieder zurückzahlen müssen. Und dann auch noch beschädigte Bücher, geschundene Ansichtsexemplare, angeschimmelt-feucht gelagerte etc. zurückbekommen, im Grunde: Altpapier. Buchhandel und Zwischenbuchhandel (diese riesigen Lagerhallen für Bücher, damit sie am nächsten Tag lieferbar sind) macht Bücher durch seine Strukturen zu Altpapier. Sage ich einfach mal ganz derb. Und das Problem sind nicht nur Berge von zurückgeschickten Büchern. Es ist auch das Prinzip von Frühjahrs- und Herbstprogrammen, dieser Turbokapitalismus in einer Branche bei der es um Produkte geht, für die man sich Zeit nehmen muss. Und die oft mit den Jahren nur besser werden. Völlig paradox also die gesamte Struktur. Um nicht zu sagen: Schwachsinn. Erst recht das Angebot von Buchhandlungen: Das Buch ist am nächsten Tag schon da. Frisch aus der Massenlagerhalle für Massenbuchhaltung. Warum braucht man das Buch schon am nächsten Tag? Warum reichen nicht zwei, drei oder fünf Tage Postweg, bei Bestellung direkt beim Verlag? Bücher werden behandelt wie fast Fashion. Schnell schnell haben, (evt. auch schnell fotografieren), um sie dann drei Monate auf den SuB zu legen? Wie bitte macht das Sinn?

Naja, Sinn macht das eben für große Verlage und Konzernverlage. Da geht es um Unsummen von Büchern und Unsummen an sich. Wo ein Zwischenhandel mit Riesenlagerhallen natürlich praktisch ist – da muss man diese Hallen nicht selbst bauen und betreiben. Und auch die Overnight-Lieferung macht Sinn, weil das fast product Buch muss schnell raus, zack, auf den Punkt zur mega Werbekampagne, wo man sich überall einkauft, auf die besten Plätze und in alle Schaufenster der Buchhandelsketten, und zack muss das Produkt Buch auf die Backlist, und zack muss das nächste Buch in mega Auflage raus, mit Spiegel-Bestseller-Aufkleber natürlich. Weil sichtbar ist, wer das meiste Kapital hat. Und am besten verdient, wer sichtbar ist. Darum will man als Kleinverlag ja nur eins: In diesem krassen Game mitspielen. Darum macht man Bücher. Darum geht es der Literatur. – Sorry, echt. Vielleicht möchte ein Kleinverlag lieber eine kleine, feine Büchermanufaktur bleiben? Und nicht auf dem goldenen Kapitalismustreppchen ganz oben stehen. Aber trotzdem sorgenfrei und überhaupt von seiner Arbeit leben können.

Und jetzt? Liebe Kleinverleger*innen? Liebe Leser*innen? Liebe eben noch idealistisch-verklärten Buchromantiker*innen? Wenn der Buchhandel gezwungen wäre, wirklich alle Bücher abzuverkaufen – dann würde sicherlich weniger bestellt, aber auch weniger produziert, weniger verschleudert (weniger Papier sowieso) und weniger geschreddert. Das wäre nachhaltiger. Und würde sich auf Kleinverlage sicherlich auch nachhaltig auswirken und zwar dergestalt, dass der Handel noch weniger oder fast gar keine Bücher von Kleinverlagen mehr aufnehmen würde. Oder? Wer meint was? Wenn der Handel aber sagt: Nope… – Wofür braucht man diese ressourcenunfreundlichen Strukturen (ressourcenunfreundlich auf allen Ebenen) also überhaupt? Warum bestehen sie? Warum bestehen sie noch? Das ergibt doch keinen Sinn. Warum sagen Kleinverlage nicht: Wir verkaufen selbst (Online-Shops soll es ja heute geben) und kooperieren nur mit ausgewählten Buchhandlungen, die den Wahnsinn des Zwischenbuchhandels nicht unterstützen. Aber welche ist dazu bereit? Und dann wäre man ja auch ausgeschlossen vom Zwischenbuchhandel und damit noch unsichtbarer. Mist. Oder? Kann man eine Parallelwelt schaffen, einen anderen Buchkosmos, genauso sichtbar, der global Leser*innen erreicht? Das wäre doch was. Und da gibt es doch auch dieses Internet. Und das würde sich ja auch positiv auf die Autor*innenhonorare auswirken. Liebe Autor*innen, ihr seid schließlich die Schöpfer*innen, die Urheber*innen in diesem Spiel – gemeinsam mit den Geburtshelfer*innen in Form der Verlage. Aber an eurem Buch verdient ihr aufgrund dieses Systems nur einen kleinen Bruchteil. Wow, wie fair ist das denn.

Kleine Verlage trauen sich bisher nicht (oder selten) aus diesem hardcore kapitalistischen System auszusteigen. Oder suchen Kompromisse. Weil welche Möglichkeiten haben sie? Genau. Es gibt ja keine anderen Strukturen. Die muss man erst schaffen. Und vlt. schafft man es ja auch in den Handel. Einigermaßen großflächig. Dort verdienen allerdings selbst große Verlage oft erst ab der dritten (!) Auflage. Aber egal. Die Branche ist einfach so. Also besser nicht meckern und mitmachen. Auch wenn die Gebühren für Mitgliedschaften in den wichtigen Clubs für Geringverdiener*innen fast die gleichen sind wie für Multimillionäre und Milliardäre. So funktioniert Kapitalismus. Da unterstützen die gut Verdienenden doch nicht finanziell Schwächere. Wer käme auf so eine Idee? Oder gar auf faire Mitgliedsbeiträge nach Einkommen?

Wer gute Sachen macht, der hat auch Erfolg und verdient auch Geld. Sonst stimmt halt was bei der Qualität nicht. Die perfiden Märchen des Kapitalismus. Und was mich wirklich fassungslos macht, ist die Tatsache, dass viele derjenigen, die sich maßgeblich um das Geistige, Kulturelle, die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts so to say bemühen, sich einspruchslos dem Diktat des Kapitalismus beugen. Und wenn ich so etwas laut sage, dann bin ich natürlich ein Kolleginnenschwein.

Um was geht es denn hier eigentlich? Ach so, um den Marsch am Büchertisch durch die Institutionen. Deren Stempel es im Pass braucht. Um dann etwas verändern zu können? Oder wie? – Ganz ehrlich: Ich verstehe die akzeptierten Mechanismen der Buch- und Literaturbranche immer weniger. Was vlt. auch nichts macht, weil Menschen, die sich für Literatur interessieren, zumindest für anspruchsvolle Literatur, heute sowieso vom Aussterben bedroht sind? Ach, das sind wir ja alle. Aber warum ist in der klassischen Literaturbranche das Publikum so überaltert? Liegt das an der Demografie dieses Landes? Oder an Wasserglaslesungslangeweile? Oder daran, dass sich junge Menschen Bücher oft gar nicht leisten können? Wahrscheinlich von allem was. Und was können wir da machen? Neue Leseorte, neue Formate, klar – aber auch: der Buchhandel verdient einfach unverdient hoch mit. Wie gesagt: 30 – 45% nimmt der unabhängige Buchhandel, der Großbuchhandel 50% pro Buch. Naja, die Kidz können ja dann die Remittenden in den Buch-Outlets shoppen. Oder bloggen, dann bekommen sie gleich Meterware. Und sie müssen nicht mehr selbst wählen.

Wobei ja immer weniger junge Menschen Bücher lesen. Klar, wenn die brisanten, die richtig geilen Bücher auf dem Buchmarkt unsichtbar bleiben. Menschen haben ja noch nie gerne gedacht und nie gerne gehandelt, darum auch nie gerne gelesen – klar klar. Was ich sehe sind zementierte patriarchale Strukturen (alter) weißer Männer, die im Buchbereich nicht nur für Inhalte gelten (was ja glücklicherweise massiv aufbricht), sondern für die Gesamtstruktur. Bücher, Literatur – das soll doch etwas Elitäres bleiben bitte sehr, hinter Zäunen, Säulen, Marmormauern mit Eintrittsgeldern. Wo Germanistik-Studierende die Selbstbeweihräucherungen Alteingelesener über sich ergehen lassen, um sich in Position zu bringen und einmal die Machtstrukturen zu übernehmen. Die sie dann aber zu träge sind aufzubrechen. Oder zu bequem. Oder es nie vorhatten. Weil das Arbeiter*innenameisenvolk ja sowieso Netflix schaut. Schauen will. Nicht bereit, etwas anderes zu kennen. Wissen wir doch alle. Warum also jemals etwas ändern?

Wenn man Geld verdienen will, darf man sich nicht systemkritisch äußern. Glaube ich nicht. Wenn man etwas erreichen will, muss man sich anpassen und dazugehören. Glaube ich auch nicht.

Es gibt noch so viel zu sagen. Das ist ja eine Themenflut, die eigentlich bis in alle Details erörtert werden müsste. Aber eigentlich wollte ich ja bloß eine Verlagspause ankündigen. Man kommt so vom Hölzchen aufs – naja, auf jeden Fall nicht ins Stocken. Vielleicht kann es weitergehen, mit dem Verlegen. Und vielleicht ist es auch möglich, das System grundlegend zu verändern – und zwar nicht von innen heraus. Kleine Verlage funktionieren nun mal anders als große Verlage und Konzernverlage. Darum ist es sinnvoll komplett neue und ganz andere Strukturen für Kleinverlage zu schaffen, um Büchervielfalt nicht nur nachhaltig zu fördern und zu erhalten, sondern für alle sichtbar und zur “Norm” zu machen. Dafür braucht es natürlich eine kritische Masse.