Neues aus der Verlagspause

Nachdenken über das Verlegen und das Verlegen lassen in der Sommerpause – die eigentlich auch eine Verlagspause sein sollte. Aber das funktioniert irgendwie nicht, im Gegenteil. Naja, in der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft und wenn man mal stehen bleibt, um durchzuatmen und sich umzuschauen, sieht man ja meistens nicht nur die Dinge ganz anders, sondern auch ganz andere Dinge.

Seit der Ankündigung dieser Pause bzw. maßgeblich seit dem Artikel von Andreas über die Situation von Kleinverlagen, ist etwas ins Rollen gekommen. Erst einmal waren wir überrascht über die große Resonanz. Überall brodelt es. Nicht nur wir machen uns Gedanken und entwickeln neue Ideen. Sehr viele Kleinverleger*innen sind sich einig, dass der Buchmarkt für Kleinverlag nicht funktioniert und wir den Status quo verändern müssen. Kooperation ist da natürlich die Basis.

Bei uns haben sich tolle, innovative Verleger*innen gemeldet, um sich zu vernetzen, auszutauschen und miteinander neue Konzepte und Wege zu entwickeln. Als Erste die Verlegerin & Unternehmerin Sandra Thoms, die bereits seit Langem Alternativen für Kleinverlage sucht, in dem Zusammenhang beispielsweise die Verlagsbuchhandlung Shakespeares Enkel mitinitiierte und den Diskurs zur Situation von Kleinverlagen medial präsent hält und belebt. Besonders hohe Wellen schlug ihr Artikel „Verlage in der Krise: Nur jeder fünfte Verlag kann von seiner Arbeit leben“ (Juni 2023), der mich persönlich trotz eigener Erfahrungen und des Wissens um die Arbeitssituation von Kolleg:innen regelrecht schockierte. Mich außerdem in meinem Plan einer Verlagspause bestärkte. Weil so sehr wir Buchmacher:innen des Kleinverlagskosmos Literatur, Dichtung, sämtliche Genres lieben, es kann nicht weiter bei dieser Selbstausbeutung bleiben, beim Hoffen auf Förderungen und/oder einem parallelen Arbeitsleben, um die Literatur-„Liebhaberei“ überhaupt möglich zu machen. (-> An dieser Stelle: Liebe alle, wir brauchen hierfür auch Leseförderung noch und nöcher! Kinder und Jugendliche müssen wieder bewusst an Literatur in all ihrer Vielfalt herangeführt werden. Und sogenannte Erwachsene brauchen ebenfalls vielfältige Angebote (Lesungsformate, Buchaktionen, Events etc.), um in der täglichen medialen Bilderflut wieder eigene Bilder zu entwickeln.)

Das Schöne Bücher Netzwerk, gegründet von Jens Korch von der Edition Wannenbuch als Plattform für unabhängige Kleinverlage, fragte dann an, ob es den LinkedIn-Artikel von Andreas veröffentlichen dürfe. Im Netzwerk wurde der Artikel intensiv diskutiert. An dem Punkt wurde für uns so richtig spürbar, wie viele Kleinverlage leider nicht vom Büchermachen leben können, wie sehr die Buchhandelsstrukturen einschnüren, abwürgen und wie massiv die Unzufriedenheit allgemein unter Kleinverleger:innen ist. Weil so ein Teekessel pfeift ja nicht dermaßen vehement nach nur einem flammenden Artikel.

Durch dieses wunderbare Feedback sind uns erste Punkte klar geworden, die wir ändern müssen und auch ab sofort ändern können. Und je mehr wir sind, desto besser.

Was wir anders machen können?

  • Absolut zentral: Awareness für die Situation von Kleinverlagen schaffen. Über die Strukturen des Buchmarkts aufklären, von denen weder Leser:innen, noch Autor:innen, kurz: die Öffentlichkeit keine Ahnung hat.
  • Sich vernetzen. Großflächig und lokal. Ein lokales Netzwerk, das wir durch das Feedback zum Artikel kennengelernt haben, ist die Initiative Lesen Lokal ein Netzwerk von Verlagen aus Berlin und Brandenburg, das auch den jährlich auf der Buch Berlin stattfindenden Kongress Blätterkohle veranstaltet. (Herzliche Einladung für den 30.09. schon mal!)
  • Lesen fördern. Zum Beispiel durch Vorleseaktionen, Buchgeschenke und Büchertauschen – Daniela Demmer vom himmelbau Verlag entwickelt hier momentan ein tolles Konzept, um eine ganz neue Büchertradition hierzulande einzuführen. Ich möchte nicht spoilern – wer neugierig geworden ist, sollte mit ihr Kontakt aufnehmen.
  • Nachhaltig Bücher produzieren. Wie die Edition 5 Haus aus Wien, die mit ihrer Initiative Slow Book neue Wege des nachhaltigen Verlegens gehen. Sie nennen Slow Book „Die nachhaltige Bewegung im Verlagswesen“. Weniger und dafür ökologisch und klimaneutral sprich: Cradle to Cradle produzieren. (Persönlich hoffe ich ja auch auf ein alternatives Material zu Papier. Und auf digitales Publizieren.)
  • Online Sichtbarkeit herstellen. Natürlich durch die eigene Webseite, den eigenen Online-Shop und Social Media. Aber auch durch gemeinschaftliche Online- Aktionen und eine gemeinschaftliche Plattformen für ausschließlich Kleinverlage. Yourbook ist eine Initiative, um besondere Publikationen sichtbar zu machen – allerdings ist es eine Plattform auch für große und Konzernverlage und soll in erster Linie den mittelständischen Buchhandel unterstützen, nicht explizit Kleinverlage. Das Netzwerk Schöne Bücher möchte konkret Kleinverlagen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, allerdings auch um sichtbar für den Buchhandel zu werden. Aber genau das muss meiner Meinung nach aufhören: Dieses Buhlen um die Gunst des Buchhandels. WARUM? Wir Kleinverleger:innen können nicht mehr für alle verantwortlich sein und verantwortlich gemacht werden. Ob eine Buchhandlung läuft oder nicht ist schlicht nicht unsere Sache. Die Buchhandlung wird ja auch nicht für die Rentabilität eines Verlags verantwortlich gemacht. Es ist für mich als Verlegerin einfacher, meine Bücher und Autor*innen online sichtbar zu machen oder analog durch Lesungen und Events. Da kann ich selbst entscheiden und gestalten und direkt verkaufen. (Wichtige Anmerkung hier: Liebe Autor*innen, auch ihr solltet ein großes Interesse daran haben, dass Kleinverlage neue Strukturen schaffen. Weil durch die steigenden Druckkosten überall momentan die B-Autor*innen – also, die, die sich nicht so gut verkaufen – ja, es geht natürlich um Geld, nicht um Inhalte – aus dem Programm fliegen. Auch Literaturagenturen werden euch aufgrund der explodierenden Kosten zukünftig nur noch annehmen, wenn sie ein ordentlich verkaufbares Produkt aus euch machen können. D.h. der Buchmarkt diktiert radikaler denn je Mainstream. Also, liebe Autor*innen, auch ihr braucht ein neues Markt-System für Kleinverlage, um überhaupt noch eine Chance zu haben.)
  • Nächster Punkt: Analog Sichtbarkeit herstellen. Durch Bücherfeste, Lesezelte, (Vor-)Leseaktionen, (ungewöhnlich) Buchpräsentationen, Pop-up Stores, eine Idee sind auch gemeinschaftliche regionale und überregionale Verlagsbuchhandlungen, auf jeden Fall braucht es gemeinschaftliche Aktionen, Events, Plattform(en), Kommunikation & Marketing.

Noch einmal herausstellen möchte ich den Punkt, dass es für unabhängige Kleinverlage bis zu einer gewissen Größe (also für kleine unabhängige Kleinverlage) einfach keinen Sinn ergibt, mit dem Buchhandel zu planen. In teure Verlagsauslieferungen und Verlagsvertreter*innen zu investieren. Der Großbuchhandel und Verträge mit Barsortimenten sind ebenfalls ein Hohn (leider sind damit verbunden ja auch Entscheidungen wie die Teilnahme an den großen Buchmessen. Wer nicht gelistet ist, darf dort keinen Stand haben. Das macht es komplizierter). Kooperationen mit unabhängigen Buchhandlungen bringen nur etwas, wenn die Bücher dort durch Empfehlungen oder Veranstaltungen direkt beworben werden. Dann ist auch die Quasi-Provision von 35 – 40% angemessen. Ich freue mich immer, wenn unabhängige Buchhandlungen mir (meist 3 – 5) Exemplare eines Buches abnehmen. Aber davon kann ich den Verlag nicht am Laufen halten. Schon gar keine Autor*innenhonorare zahlen. Und dann soll ich als Verlag auch noch die gewissen Buchhandlungen bewerben, damit Leser*innen dort nach meinen Büchern schauen oder sie dort bestellen. Da muss ich sagen: Nö. Warum so ein extremer Aufwand – da ist der Verkauf vom Verlag direkt an Leser*innen einfacher.

Was kann ich außerdem ab sofort tun, um mehr Sichtbarkeit für meinen Kleinverlag herzustellen?

Meine Nische finden. Je kleiner und feiner, desto besser. Diejenigen gezielt ansprechen, die sich für mein Verlagsprogramm interessieren oder interessieren könnten. Durch klares Verlagsbranding, klare Kommunikation. Weil bei allen Tortendiagrammen über die Buchbranche bleibt wichtig und hoffnungsvoll: Für jeden Kleinverlag gibt es potentiell ein Stück vom Kuchen. Wir müssen uns aber bewusst sein, wo wir unser Stück finden. Das Wie ergibt sich daraus.

to be continued… 🙂

Ganz herzlichen Dank allen für euer Feedback und euren Input! Es arbeitet.